GTI Reisen: Insolvenz schockt die Reisebranche damals wie heute

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10 Jahre ist es her, da überraschte GTI Reisen mit der Bekanntgabe der Zahlungsunfähigkeit. Ein Schreckmoment für viele Urlauber. 5.000 Urlauber saßen auf einmal im Ausland fest und die Heimreise war ungewiss. Was steckt dahinter, und wie kann ich Ansprüche geltend machen? Dank Corona ist es für Reiseveranstalter nicht einfacher geworden. Aber nicht nur die Touristikbranche spürt die Auswirkungen, auch das Leben der Menschen wurde erschüttert. Mehr Freiheiten im Beruf versus Einschränkungen im öffentlichen Raum führen zu veränderten Bedürfnissen. Folglich muss Reisen neu gedacht werden, sowohl von Anbietern als auch von Konsumenten. Im Folgenden betrachten wir Reisebranche und Trends.

GTI Reisen: Rockt den deutschen Markt

Günstige Reisen in die Türkei waren das Steckenpferd von GTI Reisen (German Travel International). Das nordrhein-westfälische Unternehmen lag in seiner Hoch-Zeit auf dem achten Platz der zehn führenden Reise-Veranstalter im deutschen Tourismusmarkt. Bei ca. 600.000 Kunden bewegte sich der Jahresumsatz um die 320 Millionen Euro. Merkmal des Unternehmens waren seine eingehenden regionalen Kenntnisse kombiniert mit langjähriger Branchen-Erfahrung sowie Wirtschaftskompetenzen.

Infografik: Marktausblick für die Reise- und Tourismusbranche in Deutschland. Trotz Pleiten wie von GTI Reisen entwickelt sich die Branche gut. Die Umsätze werden dennoch erst 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. (Foto: shutterstock - DisobeyArt)

Infografik: Marktausblick für die Reise- und Tourismusbranche in Deutschland. Trotz Pleiten wie von GTI Reisen entwickelt sich die Branche gut. Die Umsätze werden dennoch erst 2024 wieder das Vorkrisenniveau erreichen. (Foto: shutterstock – DisobeyArt)

Trotz Standortvorteil kam das Aus für GTI Reisen: Warum?

GTI Reisen wurde als Familienunternehmen 1994 in Düsseldorf gegründet. Damit wurde es Teil der türkischen Unternehmensgruppe Kayi. Neben der Riva-Hotelgruppe und der Sky Airlines-Fluggesellschaft gehörten ihr auch die Reiseveranstalter Buchmal-Reisen, GTI Polen sowie DTI in Holland an. Auch wenn die Gründung von GTI Reisen in Deutschland erfolgte, so liegen die Wurzeln dennoch in Antalya. Ein ausschlaggebender Faktor warum sich jährlich hunderttausende Kunden für eine Buchung entschieden, ist wohl in den engen Verbindungen zum Feriengebiet begründet. Das Zielland mit den kulturellen Bräuchen der Bewohner sowie die touristischen Infrastruktur war den bis zu 4.000 Mitarbeitern gut bekannt. So konnten sie stets individuell zugeschnittene Services für die Urlauber bereithalten. Umfassende Qualitätskontrollen gehörten ebenso zum geschätzten Portfolio. Die Anmeldung der Insolvenz im Jahr 2013 durch die Kayi Group traf auch GTI Reisen. Offiziell wurde dies mit Fehlplanungen im Airline-Geschäft sowie missglückten Verkäufen von Unternehmensbeteiligungen begründet.

Das Gericht klagt an: schwere Vorwürfe stehen im Raum

Sechs Jahre nach der Pleite von GTI Reisen lagen schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Firma vor, denen er sich vor Gericht stellen musste. Per internationalem Haftbefehl gesucht, wurden ihm nach seiner Festnahme in der Ukraine betrügerischer Bankrott sowie Untreue angelastet. Er soll, laut Staatsanwaltschaft, trotz besseren Wissens die Insolvenz nicht ordnungsgemäß gemeldet haben. Des Weiteren wird er beschuldigt, sich aus der Firmenkasse bereichert zu haben. Unterschlagung von 10,5 Millionen Euro lautete der Tatvorwurf. Drei Komplizen sind ihrer Verhaftung zum Verhandlungs-Zeitraum noch einmal entgangen. Laut Angabe der Ehefrau des Hauptangeklagten wurden kurzfristig Kredite in Höhe von 45 Millionen Euro verwehrt und führten damit zu der Zahlungsunfähigkeit von GTI Reisen.

Insolvenzprognose: Anteil insolvenzgefährdeter Unternehmen der  Branche Reiseveranstalter und Reisebüros pro Bundesland
Bundesland Februar 2020 Januar 2021 Prozentuale Veränderung
Baden-Württemberg 6,3% 7,7% +22,2%
Bayern 4,8% 6,6% +35,9%
Berlin 7,3% 9,8% +35,0%
Brandenburg 5,9% 7,5% +28,0%
Bremen 7,9% 10,8% +42,0%
Hamburg 7,8% 8,5% +8,9%
Hessen 6,4% 8,0% +25,0%
Mecklenburg-Vorpommern 5,6% 7,6% +35,0%
Niedersachsen 4,9% 6,6% +35,0%
Nordrhein-Westfalen 6,8% 8,9% +32,0%
Rheinland-Pfalz 5,3% 7,8% +47,0%
Saarland 7,2% 8,2% +14,0%
Sachsen 7,0% 10,4% +4,8%
Sachsen-Anhalt 9,8% 12,6% +28,0%
Schleswig-Holstein 4,3% 6,0% +40,0%
Thüringen 6,4% 6,8% +6,6%
Quelle: CRIF Bürgel, Vergleich Februar 2020 vs. Januar 2021, Stand Februar 2021

Geschockte Reisende sitzen fest dank Insolvenz

Die Bekanntgabe der Zahlungsunfähigkeit durch GTI Reisen sowie alle Mitglieder der Kayi Group war für viele Reisende ein Schock. Angesichts der plötzlichen Entscheidung saßen 5.000 Pauschaltouristen auf einmal im Ausland festsaßen und wussten nicht mehr, wie sie nach Hause kommen sollten. Weitere 70.000 traf es kurz vor Reiseantritt. Wie würde es mit der bereits gebuchten Reise weitergehen? Diese Kunden hatten die Möglichkeit zwischen Kompensationsangeboten konkurrierender Anbieter zu wählen. Manche hatten die Wahl zwischen alternativen Routen zu ihren Urlaubszielen oder einer Erstattung der Kosten über den Insolvenzverwalter. Andere Reisen wurden hingegen zurückgeholt. So oder so verunsichern solche Fälle den Verbraucher zu Recht und vor dem Hintergrund der Pandemie verlagern sich die Bedürfnisse hin zu mehr Sicherheit und Flexibilität.

Entwicklung der Reisebranche

Die ökonomische Basis des deutschen Tourismusmarktes ist unabhängig vom Fall GTI Reisen alles andere als robust. Mickrige Umsatzrendite von zwei bis drei Prozent werden selbst in blühenden Zeiten als erstrebenswert angesehen. Es ist daher keine Überraschung, dass sich gemäß einer Studie des Deutschen Reiseverbands (DRV) mittlerweile etwa zwei Drittel der Reiseveranstalter von einer Pleite bedroht fühlen. Besonders kleine und mittlere Anbieter sehen kaum noch Überlebenschancen für ihr Geschäft. Eine Rolle spielen die von Unsicherheit geprägten Umstände der Pandemie und daneben die Tatsache, dass kleine Familienbetriebe durch die Konsolidierungsbestrebungen der Branche verdrängt werden. Ein Urlaubsziel, dass die gesundheitlichen Regularien eben erst losgeworden ist, kann sich quasi über Nacht wieder zum Risikogebiet entwickeln. Damit gehen Stornierungskosten einher, die die Liquidität der Firmen zunehmend belasten.

Diese Reiseveranstalter führen im deutschsprachigen Raum

Die Urlaubsplanung führt häufig direkt oder indirekt zu einem großen Reiseveranstalter. Zu den Hauptreiseleistungen zählen die Beförderung der Reisenden (z.B. mit dem Flugzeug), die Unterbringung (z.B. in einem Hotel) sowie optional die Dienste des Reiseleiters. Häufig erfolgt eine Auslagerung der Organisation vom Reiseveranstalter. Hier erhalten Sie eine Übersicht großer Reiseveranstalter im deutschsprachigen Raum:

Infografik: die sieben größten Reiseveranstalter, die Top 7 der Top 10 in Deutschland, gemessen an ihrem Gesamtumsatz im Jahr 2019. (Foto: shutterstock - MrMax)

Infografik: die sieben größten Reiseveranstalter, die Top 7 der Top 10 in Deutschland, gemessen an ihrem Gesamtumsatz im Jahr 2019. (Foto: shutterstock – MrMax)

Reiseveranstalter ist Pleite: Wie komme ich in einem Fall wie GTI Reisen an mein Geld?

Mein Reiseanbieter kündigt wie GTI Reisen unmittelbar vor Vertragserfüllung die Zahlungsunfähigkeit an. Was bleibt mir nun? Ihre Ansprüche können in dem Fall bei der Insolvenzversicherung eingefordert werden.

Bedeutung des Sicherungsscheins

Der sogenannte Sicherungsschein belegt bei Reisebuchung dieses Recht. Vor jeglicher Zahlung muss dieser übergeben werden. Wenn der Vertrag nicht erfüllt wird, hat der Kunde das Recht sämtliche Kosten inklusive der Anzahlungen zurückzufordern. Nur wenn die zu verwaltende Insolvenzmasse über genügend Mittel verfügt, alle Betroffenen auszubezahlen, ist dies möglich. Davon kann nicht immer ausgegangen werden. In der Realität bekommt oft nur ein geringer Prozentsatz einen kleinen Anteil seiner wirklichen Einzahlungen schnell zurück. Man sollte sich auf Monate, wenn nicht Jahre einstellen bis man einen nennenswerten Geldeingang verbuchen kann.

Insolvenz heißt nicht unbedingt Urlaubsende

Sofort nach Veröffentlichung der Pleite sollten Geschädigte das Unternehmen kontaktieren und sich eine schriftliche Bestätigung des Sachverhalts ausstellen lassen. Es müssen nicht zwangsläufig sämtliche Geschäftsbeziehungen enden, nur weil eine Meldung zur Insolvenz erfolgt. Überbrückungsmaßnahmen werden tatsächlich oft getroffen, um die sich ankündigenden Schäden im Rahmen zu halten oder sie sogar ganz zu vermeiden. Geplante Reisen können auf der Basis von derartigen Vereinbarungen trotz Insolvenzverfahren durchgeführt werden.

Ein Trend: Urlaub in der Heimat

Covid-19 hält Einzug in alle Lebensbereiche der Menschen. Das Reisen ist besonders stark betroffen. In den letzten zwei Jahren war unbeschwerte Urlaubsplanung durch die Entwicklung der Pandemie mit ihren unterschiedlichen Regelungen kaum möglich. Der Lockdown zwang über Monate zur Schließung. Diese war im Mai 2021 für deutsche Hotels und Ferienunterkünfte endlich vorbei und eine stufenweise Öffnung möglich. Es dauerte nicht lange und auf Sylt waren selbst teure Unterkünfte nicht mehr zu haben. Die Menschen wollten um jeden Preis raus: „Revenge Travel“ hieß die Devise. Gerade Familien profitieren dabei von Urlaubszielen innerhalb Deutschlands, die sich unkomplizierter planen lassen.

Wohin reisen internationale Gäste in Deutschland?
Bundesland Übernachtungen in Millionen Davon internationale Gäste
Bayern 94,36 19,12
Berlin 31,15 13,98
Baden-Württemberg 52,93 11,39
Nordrhein-Westfalen 51,51 10,99
Hessen 34,10 7,67
Rheinland-Pfalz 22,22 5,24
Niedersachsen 43,49 3,76
Hamburg 13,82 3,44
Sachsen 19,51 2,05
Schleswig-Holstein 29,89 2,01
Mecklenburg-Vorpommern 29,75 1,00
Brandenburg 13,09 0,96
Sachsen-Anhalt 8,13 0,63
Thüringen 9,92 0,62
Bremen 2,44 0,49
Saarland 3,08 0,46
Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand 2017

Lieber Ferienwohnung als Hotel

Der Heimaturlaub liegt verständlicher Weise nach wie vor im Trend. Ein inländisches Reiseziel, das mit dem Auto zu erreichen ist, lässt hinsichtlich der aktuellen Unsicherheiten weniger böse Überraschungen vermuten. Die Pleite eines Reiseveranstalters à la GTI Reisen berührt dann z.B. weniger. Im Jahr 2021 war Deutschland das beliebteste Reiseziel der Deutschen, besagte eine Analyse von HomeToGo, einem Marktplatz für Ferienunterkünfte. Dabei nannten 44,4 Prozent der Teilnehmer die Heimat als Urlaubsziel. Dies bedeutete gegenüber dem Vorjahr eine 61-prozentige Steigerung. Nordsee, Ostsee sowie Bayern sind dabei besonders beliebte Reiseziele. Auch im Trend ist die Ferienwohnung. Gerade für Familien mit Kindern eine tolle Option zum Hotel, die mehr Freiheit bietet.

Das Reisebedürfnis verändert sich und Anbieter á la GTI Reisen müssen tätig werden

Erlebnisse und Erholung, danach streben die Menschen nach den anstrengenden Pandemiemonaten. Die Reisekasse ist überdies voll, da nicht viel ausgegeben wurde. Dies führte dazu, dass beliebte innerdeutsche Urlaubsziele im vergangenen Jahr fix ausgebucht waren. „Revenge Travel“ hieß das Motto. Die Bedürfnisse der Verbraucher verändern sich dabei insgesamt. Dies bedingt unter anderem die neue Arbeitnehmerflexibilität. Durch die immer stärkere Verknüpfung von Reisen und Arbeit werden andere Anforderungen an Unterkunft und Transportmittel gestellt.

Das Angebot muss wachsen

Die Herausforderung für Anbieter liegt darin, eine Mischung aus Unterkunft und Arbeitsplatz anzubieten, die kurz- oder langfristig gebucht werden kann. Serviced Apartements verzeichnen durchgängig hohe Auslastungszahlen und beweisen neben der hohen Nachfrage nach Ferienwohnungen den Bedarf der Verbraucher. Auch bei Reisedaten und Stornierungskonditionen wird künftig Flexibilität erwartet. Im Jahr 2021 wurde von Reisenden bei HomeToGo über 600 Prozent mal mehr nach einer flexiblen Buchung gesucht als noch im vorherigen Jahr.

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